Im Vercors waren wir schon einmal im Winter. Neben dem damaligen plötzlichen Wintereinbruch mit seinen aufregenden Folgen hatten wir die wunderbare Landschaft mit Wäldern und Felsen gut im Gedächtnis behalten! Ralf organisierte in diesem Jahr kurzerhand seinen Geburtstagsausflug in diese Traumgegend und es wurde ein echtes Traumwochenende!
Freitag, 19. Mai 2023 – Anfahrt über Saint Antoine l’Abbaye
Mit Wanderschuhen, Picknick und Neugier im Gepäck fuhren wir gemütlich nach dem Frühstück los. Das erste Zwischenziel war der Ort Saint Antoine l’Abbaye, der in die Liste der schönsten Dörfer Frankreichs aufgenommen worden war. Wie der Name schon sagt, befindet sich dort neben einem Naturheilkundemuseum, einem Historischen Museum, einer Skulpturwerkstatt und einem kleinen mittelalterlichen Garten eine der imposantesten Abteikirchen Frankreichs. Während wir diese ehrfurchtsvoll besichtigten, wurden wir von Orgelmusik begleitet. Der Organist übte offensichtlich für den nächsten Gottestdienst! Im Ort wirkten einst die Antoniter, die sich u.a. mit der Behandlung Pestkranker einen Namen machten. Die Museumsbesuche waren sogar kostenfrei und sehr interessant gestaltet. Unseren ersten Imbiß nahmen wir nach dem Rundgang durch den Ort auf einer Bank unter frühlingsgrünen Linden ein. Anschließend begaben wir uns auf einen kleinen Rundweg über die umliegenden Hügel und bewunderten die bunten Blumenwiesen sowie die langsam austreibenden Nussbäume. Auf unserer Wanderung kamen wir an der Kirche Saint-Jean le Fromental vorbei. Dort legten wir nochmals ein Päuschen ein. Margeriten, Mohnblumen und Orchideen säumten die weiteren Wege und wir gerieten ins Schwärmen ob des schönen Frühlingstages!
Nach dem Aufenthalt in Saint Antoine l’Abbaye fuhren wir direkt zu unserer Unterkunft, einem sog. chambre d’hôte – Ferienzimmer mit Frühstück und Abendessen auf Anfrage, in Auberives-en-Royans. Auf dem Grundstück, welches man über eine sehr steile Abfahrt erreichte, standen auch zwei ausgebaute Zirkuswagen als Wanderunterkünfte – ob es sich drinnen wirklich so romantisch anfühlt? Wir zwei bezogen ein bequemes Zimmer mit Bad und nahmen unser mitgebrachtes Abendessen auf der überdachten Terrasse ein. Währenddessen wusch ein kräftiger Landregen die Natur rein.
Samstag, 20. Mai 2023 – Ralfs Geburtstag!
Nachdem ich meinem Liebsten zu seinem Ehrentag gratuliert, er seine Geschenke ausgepackt und wir ausgiebig gefrühstückt hatten, gaben wir zunächst einem ebenfalls in der Herberge logierenden, deutschen Pärchen Tipps für ihre Weiterfahrt. Sie hatten vor, mit der Fähre von Toulon auf die Insel Mallorca überzusetzen und wollten die Zeit bis zur Abfahrt am Abend nutzen, um ein wenig die Landschaft zu genießen. Wir verabschiedeten uns später von ihnen und fuhren auf engen Straßen zu einem « wilden » Wanderparkplatz. Ralf hatte für den Vormittag eine Wanderung an einer Felsenkante mit Blick übers Vercors geplant. Dichter Nebel gab der Gegend ein mystisches Ambiente und verhinderte erstmal jegliche Aussicht. Zu unserer Freude lichtete er sich dann zunehmend, so dass wir in den Genuss herrlicher Blicke auf uriges Felsgestein kamen. Und noch etwas Besonderes konnten wir erleben: Ich sah einen Schatten huschen, hörte ein Kreischgeräusch wie von einem Raubvogel und entdeckte dann in Steinwurfweite einen Gamsbock, der mich ganz verdutzt musterte. Ich versuchte, Ralf Zeichen zu geben und vorsichtig schlich er herbei. Schließlich sahen wir weiter unten weitere Tiere und Auge in Auge mit ihnen konnten wir sie fotografieren. Sie fühlten sich offensichtlich im Nebel sicher. Langsam wanderten wir mit vielen Staunepausen weiter und genossen das GRÜN, was einfach ein so umwerfendes GRÜN war!
Zurück am Auto erklärte Ralf mir den zweiten Programmpunkt des Tages: Eine kleine Wanderung zum Grünen Wasserfall bei Pont-en-Royans. Mit 10 Höhenmetern ein Klacks für uns! Ja, unter normalen Umständen mag das stimmen! Jedoch setzte sich die abenteuerliche Anfahrt und das enge Parken am Straßenrand in einem durch den Regen in einen rutschigen, matschigen, schmalen verwandelten Pfad fort. Wegen des angenommenen geringen Anstiegs ließen wir unsere Wanderstöcke im Auto zurück, was wir noch bitter bereuen sollten. Zudem stellten wir bald fest, dass sich am linksseitigen Ufer des Flusses, der durch den Wasserfall gespeist wurde, ein bequemer familienfreundlicher Wanderweg befand! Aber Aufgeben oder Umkehren galt nicht! Wir stapften und rutschten, stöhnten und hangelten uns voran. Ein Abschnitt war mit Seilen ausgestattet, was angesichts der uns fehlenden Hilfsmittel sehr, sehr hilfreich war. Ralf suchte für mich schließlich einen Wanderstock im Unterholz, der mir wirklich gute Dienste leistete. Nach einer zittrigen Rutschpartie standen wir ihm schließlich glücklich gegenüber: Dem Grünen Wasserfall! Seinen Namen verdankt er dem moosüberzogenen Felsen, über den das Wasser hinab stürzt! Der Rückweg war wie immer viel leichter. Ich war heilfroh, ohne ins Wasser gestürzt zu sein wieder wohlbehalten am Ausgangspunkt angekommen zu sein!
Drittes Abenteuer des Tages war hängend, weiß und die Wanderschuhe sahen danach total verschlam(p)mt aus. 😮
Doch der Reihe nach. Nach der Kraxelei zur Grünen Cascade fuhren wir etwas zerzaust und nicht gerade stadtfein nach Pont-en-Royans. Dieses Dorf an der Bourne, einem Nebenfluß der Isère, ist wegen seiner hängenden Häuser berühmt. Ihr Anblick war wirklich imposant! Ansonsten ist der Ort recht grau, verlassen und hat seine beste Zeit hinter sich. Mein Liebster ließ uns noch über allerlei Treppenstufen steigen, bevor wir letztendlich zum Weißen Wasserfall wanderten. Ich gebe zu, dass meine Füße schon etwas Müdigkeit verspürten. Aber wie so oft siegte die Neugier. Und diese wurde am Ziel auch belohnt. Durch die letzten Regenfälle war die Cascade gut gefüllt und einige Wanderer hatten Mühe, den recht lebhaften Fluss zu Fuß zu überqueren, denn der Pilgerweg ging am gegenüberliegenden Ufer weiter!
Der Tag ging mit einem lecker von dem Herbergspaar zubereiteten Dinner und passenden Weinen zu Ende. Seelig schliefen wir ein und hatten viele grüne Träume!
Sonntag, 21. Mai 2023 – Käseträume
Wir liebten Saint-Marcellin bisher als eine der leckeren Käsesorten, die wir bisher in Frankreich kennenlernten. Der gleichnamige Ort schien es uns wert, besucht zu werden, um die Wiege dieser Spezialität zu entdecken. Die von Ralf geplante Fahrt von Aubervives nach Saint-Marcellin war abenteuerlich, denn sie führte über enge, in den Fels gefräste Passstraßen mit diversen Tunneln, Fangnetzen für herabstürzende Steine und impressionanten Ausblicken! Die herrlichen Buchenwälder, die Stille und die Natur waren so entspannend und ich stellte mir vor, dass ich an diesem Ort einfach für ein paar Wochen verschwinden würde …
Die Kleinstadt war dann leider eine Enttäuschung und den Abstecher nicht wert. Zwar empfahl eine Karte am Touristenbüro gleich drei Stadtrundgänge, aber es fehlte jede Spur von Charme. So tingelten wir nur kurz durch einige Gassen, bevor wir uns endgültig auf den Heimweg begaben. Glücklicherweise fuhren wir gen Süden, denn die Gegenrichtung entpuppte sich auf 100 km als einziger Stop-and-Go-Verkehr mit unzähligen Staus.