4. Etappe Sommerurlaub: Vizille und die französischen Alpen

Nach kurzem Intermezzo im Schwarzwald, unseren Familienbesuchen in Deutschland und einem Zwischenstopp in der Schweiz erreichten wir am 1. September Vizille, einen Ort am Fuße der französischen Alpen nahe Grenoble. Ralf hatte dort nach längerem Suchen eine Ferienwohnung ausfindig gemacht. Herzlich wurden wir von den Eigentümern empfangen und sogleich herumgeführt. Nach dem Auspacken und Einrichten saßen wir noch ein wenig auf der Terrasse und besprachen die Wanderziele für die nächsten vier Tage.

I. Aufstieg zum Lac Brouffier und Abstieg zum Lac Claret

Die erste Wanderung sollte zum Angewöhnen an einen Bergsee, den Lac Brouffier, führen. Nach der Anfahrt auf ca. 1600 Hm spürten wir deutlich die sich ankündigende Herbstkühle und ich vermisste ein wenig Mütze und Handschuhe. 😉 Der Aufstieg war jedoch steil und kraxelig, so dass ich bald auf Kapuze und Zwiebelschalenmontur verzichten konnte. Sehr beeindruckend waren das Wolkenspiel und die Nebelschwaden an diesem Tag. Heidekraut, Disteln, Heidelbeeren und allerlei Gräser boten ein farbiges Wechselspiel. Am See stand ein Häuschen, vor dem ein Esel pausierte. Es gehörte einem Bergschäfer, dessen Tieren wir bereits unterwegs begegnet waren. Auf dem Bergrücken, der sich hinter dem See erhob, sahen wir ebenfalls die Silhouetten der Tiere und konnten ihre blökenden Unterhaltungen verfolgen.
Während wir am Seeufer beim Picknick saßen, spürten wir noch immer Neugier und Wanderlust. Gemeinsam beschlossen wir, den Crête de Brouffier zu erklimmen, was eine herrliche Herausforderung wurde! Unvergessliche Blicke über die Berge, Täler und Seen berauschten uns vor dem beschwerlichen Abstieg. Als wir endlich wieder unten waren, wollten wir noch « schnell » einen Abstecher zum Lac Claret – ca. 400 m vom Parkplatz entfernt – machen. Leider hatten wir beide das Kreuz am Baum, welches eigentlich darauf hinweist, diesen Weg nicht zu benutzen, übersehen. So fanden wir uns auf einem abenteuerlichen, geradezu gefährlich abwärts stürzenden « Weg » wieder. Etliche bange Minuten später erreichten wir den richtigen Wanderpfad und kurz darauf auch den See. Eine kleine Teepause, Durchatmen und diskrete Freude später bestiegen wir das Auto und fuhren erschöpft zurück zur Unterkunft.
Mit einem kräftigen Nudelgericht und einer Runde Skip-Bo beendeten wir den erlebnisreichen Tag. Tags darauf wollten wir es ruhiger angehen!

II. Von der Refuge le Rivobruenti nach Lavaldens und zurück

Nachdem wir am Vortag die 800-Höhenmeter-Marke geknackt hatten, wollten wir es am zweiten Wandertag etwas ruhiger angehen lassen. Unsere Muskeln waren gestärkt, die Gelenke gelockert und die Sonne schien auch an diesem Morgen. Ein Hubschrauber war gerade dabei, Betonteile zu einer Baustelle in den Bergen zu transportieren, als wir am Parkplatz eintrafen. Seine Propellergeräusche weckten Erinnerungen…
Die Vogelbeerbäume mit ihren leuchtenden Früchten begleiteten uns ebenso wie das lilafarbene Heidekraut und die herbstfarbenen Blätter der Heidelbeerbüsche, die in dieser Gegend weit verbreitet sind. Der Aufstieg zog sich langsam ansteigend, in Serpentinen hinauf zu Felsformationen, von wo wir rundherum übers Land schauen konnten.
Wir begegneten Schafherden, die von bellenden, temperamentvollen Hunden bewacht wurden; einige, sich frei bewegende Kühe flößten mir Respekt ein, so dass ich schließlich über den Elektrozaun stieg aus Furcht, sie könnten neugierig werden und mich kennenlernen wollen! Aber sie blieben ruhig kauend auf der Wiese liegen und Ralf konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. 😉
An einem steinigen Flussbett machten wir Rast und lauschten dem Sing-Sang der sprudelnden Kaskaden, die zur Zeit recht wenig Wasser führten. Die ausgewaschenen Uferränder zeugten von überstandenen, wilderen Zeiten. Der Rückweg im Sonnenschein verlief ohne Komplikationen und der Tag klang mit Lesestunde und Kartenspiel auf der Terrasse aus.

III. Zwei-Seen-Runde

Auf der Fahrt zur Refugienwanderung entdeckten wir mehrere Seen und in uns regte sich die Frage, ob man dort am Ufer wandern könnte. Mein Liebster studierte alsbald die Karten und fand eine schöne Tour, die zunächst durch Buchenwälder und einen Bergzug über den Seen bis dicht ans Wasser führte. Frohgemut packten wir unsere Sachen; die Badesachen kamen auch mit! Geparkt wurde mitten im Ort Laffrey, wo Napoleon augenscheinlich durchgezogen sein musste, denn es gab einen Platz, eine Straße und sogar ein Reiterstandbild vom bekannten Feldherrn! Wie glücklich war ich, als ich gelbe Striche und Wegweiser entdeckte, die bestätigten, dass die geplante Promenade « offiziell » war! Herrliche Blumenwiesen, massenhaft Brombeer- und Schlehensträucher sowie eine Kirchenruine aus dem 12. Jahrhundert waren die Hauptattraktionen des ersten Teils der Strecke. Schattige Wege und immer wieder die Berge im Hintergrund – was kann es schöneres geben für Naturfreunde?!
Ich freute mich bereits auf den Abstieg zum Grand Lac de Laffrey, da ich hoffte, dort mein diesjähriges Jungbrunnenbad nehmen zu können. 🙂 Ich wurde nicht enttäuscht! Sogar Ralf ließ sich verlocken und tauchte ins frische Nass ein! Nach der Erfrischung ging es auf etwas abenteuerlichen, mitten durch eine Art Dschungel führenden Pfaden bis zum nächsten See. Dort befanden sich ein öffentlicher Strand und ein Bootsverleih. Immer wieder blieben wir stehen, um den Blick schweifen zu lassen über die wunderschöne Gegend! Die letzten Meter führten über eine frisch gemähte Wiese und dann standen wir an einem Tor, das glücklicherweise geöffnet war, denn die vermeintliche Stadtwiese war offensichtlich ziemlich privat. 😉
Der Tag war noch jung und wir nutzten nochmals unsere Sonnenterrasse für Lektüre und ein Käffchen!

IV. Le parc du Château de Vizille

Unsere letzte Wanderung sollte uns direkt von der FeWo zum und durch den Schlosspark von Vizille sowie über einen Rundweg zurück zur Unterkunft führen. Als wir am Seiteneingang ankamen, sahen wir schon von weitem, dass dieser geschlossen war! Wie kann das sein? An einem Samstag? Wir konnten es nicht glauben und mich machte zudem der Begriff « cet acces » = dieser Zugang stutzig. Wörtlich genommen, musste es noch einen anderen Zugang geben. Wir studierten die Landkarte und liefen weiter zum Haupteingang – und dieser war weit geöffnet! Wie schön, der Rundgang konnte beginnen! Auf dem Vorhof des Schlosses bestaunten wir eine Skulptur, die laut Beschreibung dem Märchen « Die Bremer Stadtmusikanten » angelehnt war.
Das Schloss von Vizille wurde im 17. Jahrhundert durch den Konnetable von Lesdiguières errichtet und wurde im 18. Jahrhundert die Wiege der Französischen Revolution. Hier wurde am 21. Juli 1788 die Versammlung des dritten Stands der Dauphiné abgehalten, um die Einberufung der Generalstände zu fordern. Eine weitere Besonderheit der Domäne ist, dass sie von 1925 bis 1960 die Sommerresidenz der französischen Präsidenten war. Das Schloss im Departement Isère ist heute für Besucher geöffnet und beherbergt das Museum der Französischen Revolution.
Der Park umfaßt ungefähr 100 Hektar Land, auf dem bewundernswerte Baumriesen ihre Schatten auf Kanäle, Blumenbeete und einen Kinderspielplatz werfen. Besonders gefielen uns die vielen Sitzmöglichkeiten, von denen aus man Damwild, Schwäne oder einfach nur so die Umgebung betrachten konnte. Auch zum Träumen fanden wir allerlei verwunschene Plätze. Wir genossen die Zeit in dieser schönen Umgebung und merkten kaum, wie die Zeit fortschritt. Am Ende bewunderten wir noch eine Freilicht-Fotoausstellung, die der Tour de France gewidmet war.
Das schöne Wetter nutzten wir erneut, um auf der Terrasse zu lesen und ließen die geplante Wanderung über den Dächern von Vizille einfach ausfallen.
Ein sehr schöner Ausklang unseres harmonischen Urlaubs. 🙂

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