Sommerurlaub 2018. Teil 3: Massiv des Jura

Als ich das Wort Jura in eine Suchmaschine im Internet eingab, erhielt ich drei verschiedene Bedeutungserklärungen. Jura steht für Rechtswissenschaft, ein Gebirge und eine Periode in der Erdgeschichte. Wir verbrachten unsere dritte Urlaubswoche im Höhenzug Jura. Mir war dieses Gebiet nur wegen einer meiner Lieblingskäse – Comté – geläufig. Dass man dort aber wandern kann und es viele Wälder gibt, dies war mir bisher nicht bekannt.
Wir hatten ein Appartement im kleinen Urlaubsort Mijoux, reimt sich auf Bijoux – Schmuckstück 🙂 , gebucht. Den Schlüssel sollten wir im Touristenbüro bekommen. Bei unserer Ankunft nach einer anstrengenden, mehrstündigen Fahrt standen wir jedoch gegen 19h vor verschlossener Tür. Was tun? Ich wählte die angegebene Telefonnummer und landete bei einem AB, wo ich eine Nachricht hinterließ. Während wir überlegten, was wir noch tun könnten, bemerkte ich eine gestikulierende Frau am Ende der Straße. Waren wir gemeint oder der andere Fußgänger? Ich ging vorsichtig auf sie zu und sah zu meiner Erleichterung, dass sie vor unserem Hotel stand – wir waren gemeint! Dann ging alles recht schnell. Wir füllten den Scheck aus und Ralf holte das Auto zum Parkplatz. Währenddessen zeigte mir die Empfangsdame die Zimmer. Als sie die Spülmaschine öffnete, war diese nicht ausgeräumt, was der Dame einen leichten Schock versetzte. Da es ihr so furchtbar peinlich war, gab sie uns ohne Umschweife eine andere Ferienwohnung. Dort hatten wir dann sogar eine schöne Terrasse und mehr Platz – danke an die Person, die vergaß, das Geschirr wegzuräumen. Wir haben davon profitiert. 🙂

Nun hatten wir auch wieder Internet und Ralf plante eine erste Wanderung für den nächsten Tag. Mit dem Lift wollten wir hinauffahren und eine Kammwanderung machen. Sonntags ab halb 11 Uhr sollte der Lift seinen Dienst aufnehmen. Bei unserer Ankunft an der Talstation war weit und breit kein Mensch zu sehen. Was war los? Wir lasen nochmal genauer im Reiseheft nach und stellten fest, dass die Öffnungszeiten erst ab 7. Juli galten! Französische Ferienouverture! Ralf war ziemlich sauer; ich meinte dagegen locker, dass wir doch auch das Stückchen hochlaufen könnten! Aber darauf war mein Liebster gar nicht vorbereitet und so stiefelten wir zurück, um umzuplanen.

Dank Komootine fand Ralf bald eine passende Wanderung. Relativ spät kamen wir an diesem Tag weg. Doch wir wurden belohnt: Im Schatten dichter Wälder, am Ufer der Valserine und mehreren erfrischenden Quellen entlang zog sich der schmale, weiche Wanderweg hinauf und hinab. Es war ein heißer Sommersonntag, an dem wir beide ein kurzes Jungbrunnenbad an der sog. Teufelsbrücke nahmen. Eine längere Pause machten wir im Schatten eines Baumes auf einer Wiese neben einem Gehöft, das Ziegenkäse herstellt. Heu lag zum Trocknen da und die Ziegenherde hatte sich ebenfalls in schattige Gefilde zurückgezogen. Ralf träumte ein wenig und ich zeichnete. Auf dem Rückweg schlängelte sich plötzlich ein Reptil vor uns durch das Gebüsch. Blindschleiche? Ringelnatter? Viper? Genau konnten wir es nicht erkennen.
Dann trafen wir eine Radlergruppe – mehrere Kinder und zwei Erwachsene – die offensichtlich auf einem Irrweg waren, denn zum Radeln, selbst mit VTT, war der Fußweg keineswegs geeignet. Wir rieten ihnen umzukehren, was sie kurz darauf auch taten.
Unterwegs naschten wir wieder mal von fremden Beeren und bedauerten den Zustand von mehreren angefangenen Bauernhäusern. Was mag wohl passiert sein, dass die Bauherren ihre Träume zurückließen?
Am Abend schauten wir Fußball: Kroatien besiegte Dänemark beim Elfmeterschießen!

Die Runden im Jura waren oftmals relativ kurz, so dass wir auch mal zwei Wanderungen an verschiedenen Orten absolvierten. So am Dienstag, den 2. Juli. Nach dem Frühstück auf der Terrasse fuhren wir los, um den Crêt de Chalam zu erklimmen. Die Wege waren gut ausgezeichnet und führten steil hinauf zum Gipfel. Herrlich war es, die Blumenwiesen anzuschauen und den zahlreichen Vogelgesängen zu lauschen. Enzian und Türkenbundlilien wurden zu unseren Lieblingen. Auf dem Gipfel bot sich uns ein 360°-Rundumblick. Steil und klettrig ging es auch wieder hinab. Im Informationszentrum am Ausgangspunkt der Wanderung lasen wir noch über ehemalige Grenzverhältnisse im 16. Jh., die Evolution der Landschaft und ein Hospital, welches hier im 2. Weltkrieg beherbergt war.
Da wir noch nicht müde waren und der Tag noch jung war, wanderten wir anschließend zu den Kaskaden des Flumen. Auf dem Weg begegneten wir Moosgeistern und machten unser Picknick auf Steinen am Wasser. Die Felswände waren hunderte Meter hoch.
Leider hat es mit der Technik von Komoot Probleme gegeben, so dass es keine Aufzeichnung dieser Wanderung gibt. 🙁
Wir fuhren anschließend tanken und einkaufen und retteten uns auf die schattige Terrasse vor der Sommerhitze. Auch an diesem Abend gab es ein spannendes Fußballspiel, was wir verfolgten. Japan gegen Belgien. Japan verlor 2:3 in der allerletzten Minute nach einem harten Kampf.

Nach einer gewittrigen Nacht mit erfrischenden Regengüssen wurde Ralfs Wunsch nach einer Wanderung im sog. kleinen Schottland erfüllt. Im Wanderführer heißt sie auch Vier-Seen-Wanderung. Der Parkplatz an der Fromagerie = Käserei war leicht erreichbar. Eine große Holzschnitzerei befand sich ebenso auf dem Gelände. Dort wollte ich nach der Wanderung eigentlich mal reinschauen, aber es kam anders.
Der Tagesmarsch begann gemütlich mit Kuhglockenorchester, Landhäusern, Bauerngärten, Brunnen und einer Kirchenbesichtigung. Ein Hermelin oder ein anderes Mardertier huschte an uns vorbei, als wir den Lac de Narlay von weitem erkannten. Zwei Pferde weideten. Wir bewunderten das glasklare Wasser und die darauf schwimmenden Haubentaucher. Die Landschaft genießend folgten wir dem schattigen Uferweg zum See genannt Petit Maclu. Wilde Camper machten hier laut Musik und ignorierten das Badeverbot mit jugendlicher Unbekümmertheit. Felsenwände säumten das Tal und schon waren wir am Lac Grand Maclu angekommen. Einsam stand ein Häuschen an seinem Rand und wir fragten uns, wer dort wohl sein Domizil hat. Seerosen und wieder sehr klares Wasser sowie dichter Bambusbewuchs waren die Markenzeichen des dritten Sees. Am vierten und vorerst letzten See des Tages, dem Lac de la Motte, machten wir unsere wohlverdiente Picknickpause. Nur die Temperatur und ein vages Verbotsschild konnten uns von einem Badeversuch abhalten. 😉 Wenigstens die Füße hielten wir ins Wasser. Es war ein so wunderschönes Plätzchen!
Beim folgenden kleinen Abstecher in ein Sumpfgebiet begegneten wir einer Gruppe junger Leute, die sich als Biologen bei der Untersuchung der Biodiversität in dem Gebiet entpuppten. Wir hatten da erst einen anderen Verdacht!
Beinahe zurück am Parkplatz entdeckten wir ein Hinweisschild auf die Kaskaden des Flusses Herisson – auf deutsch heißt der Fluss übrigens Igel. Im Wanderführer werden die Kaskaden als sehenswürdig beurteilt. Dass sie sich in der Nähe der Seen befanden, hatten wir nicht geahnt! Da wir neugierig und fit waren, beschlossen wir eine zweite Runde anzuhängen. An der Straße stand extra ein Häuschen der Touristenbehörde und ein junger Mann fragte uns freundlich, ob er uns helfen könne. Zuerst hielten wir uns bedeckt, aber schließlich kamen wir ins Gespräch. Siehe da, er hatte auch mal deutsch gelernt und mit Hilfe der Texte von Rammstein versucht, sein Niveau zu halten! 🙂 Nach der Konversation hielten wir ein Faltblatt mit Wegbeschreibung in den Händen und konnten uns somit gut orientieren.
Insgesamt bewältigten wir 7 km und 250 Höhenmeter. Relativ steil ging es hinab und logischerweise ebenfalls wieder hinauf. Doch die Stationen mit verschiedenen Wasserfällen, Ruinen und Felsformationen belohnten unseren sportlichen Einsatz! Die Holzschnitzerei betrat ich anschließend nicht mehr, denn es war spät geworden.
Am Abend sahen wir das Spiel England gegen Kolumbien, was England gegen die leider unfair spielenden Südamerikaner verdient im Elfmeterschießen gewann!

Die anspruchvollste und schönste Wanderung im Jura wurde die Mittwochstour. Der Wetterbericht hatte unbeständiges Wetter und Regen für den Nachmittag prophezeit, so dass wir relativ früh auf der Piste waren. Mit dem Auto fuhren wir zur
oberen, noch geschlossenen Liftstation am Col de la Faucille. Von hier führte ein Singletrail stetig bis zum Grand Montrond aufwärts. Von dort sahen wir bereits den Mont Blanc, Genf und den Lac Leman = Genfer See vor uns. Dies war aber nur die erste Etappe! Weiter wanderten wir über einen Kammweg bis zu einem Punkt, von wo wir den Colomby de Gex ausmachen konnten. Direkt vor uns lag ein sehr steilen Abstieg. Wir hatten ja schon einige Kilometerchen in den Beinen. Sollten wir es wagen, zum weit und breit höchsten Gipfel weiter zu gehen? Der Ehrgeiz war größer als die Furcht vor Erschöpfung! Stolz erreichten wir den Punkt und verweilten erstmal eine Weile auf der Alm mit Blick auf Genf und umliegende Gebirge. Wir wagten nicht an den Rückweg zu denken. Schließlich hörten wir ein fernes Grollen und brachen auf. Der Weg zurück wurde mit mindestens 8-10 x Auf und Ab zu einer schweißtreibenden Angelegenheit. Endlich kam der Petit Montrond mit seiner Wetterstation in Sicht. Uns trennten scheinbar nur noch wenige Meter! Weit gefehlt! Erstmal ging es nochmal richtig runter und auf der anderen Seite hoch! « Jetzt ist es aber genug! » rief ich ungeduldig. Zuvor hatte mich ein brummendes, undefinierbares Insekt wie ein Heliokopter viele Male umkreist. Beinahe senkrecht stiegen wir über die sommerliche Blumenwiesenskiabfahrtspiste zur Station mit Parkplatz ab. Auch meinem rechten Knie reichte es und ich hinkte die letzten Meter auf meinen Liebsten gestützt zum Auto.
Das Wetter hatte gehalten, wir konnten auf der Terrasse sitzen, der schönen Randonée nachspüren und uns erholen. Dieser Abend war fußballfrei und so spielten wir mal wieder Karten bei einem Gläschen Wein. 🙂

Morgennebel, Regen und eine Temperatur von 13 °C ließen die Natur aufatmen. Wir fuhren über den Berg nach Genf, wo zumeist die Sonne schien! Lediglich zwei kurze Regenschauer ließen uns Schutz unter Bäumen suchen. Ralf hatte sich gut informiert und steuerte ein Parkhaus direkt an der Brücke zur Uferpromenade an. Im Parkhaus gab es eine Besonderheit: Es hingen Zettelblöcke an den Säulen, auf denen man sich seinen Standort notieren konnte: schweizerisch-praktisch durchdacht!
Durch den Jardin Anglais – Englischer Garten liefen wir zur berühmeten Blumenuhr. Diese wurde gerade manikürt. 🙂 Interessant anzuschauen, wie mit Nagelschere, Bartschneider und Staubsauger agiert wurde. Am Ende des Tages schauten wir nach der Fahrt mit dem Riesenrad nochmals vorbei, um das Pflegeergebnis zu bewundern.
Wir bummelten erstmal am See entlang und bestaunten die Riesenfontäne – Jet d’eau -, die wir tags zuvor vom Colomby de Gex aus schon ausgemacht hatten, von nahem. Das Wasser schießt aus einem Überdruckventil 60 Meter in die Höhe und wurde nur zufällig zu einem Wahrzeichen der Schweizer Diplomatenstadt. Im Anschluss querten wir ein Areal mit einem Bücherturm. Im Sommer kann hier gespielt, gelesen und relaxt werden. In Hochbeeten wuchsen üppig Kräuter und Gemüsepflanzen. Es gab eine Bühne und Bars. Noch war es hier menschenleer, aber am Abend würde es sicher voller werden.
Weiter ging es durch einen Park mit riesigen alten Bäumen und gepflegten Blumenbeeten. Auf der Suche nach der Altstadt trafen wir auf eine russisch-orthodoxe Kirche, ein Unigebäude und die Kathedrale. Eine « richtige » Altstadt hat Genf scheinbar nicht oder wir fanden sie nicht?! Wir promenierten nur durch einige Straßen mit Geschäften, deren Fassaden aus Holz gearbeitet sind. Interessiert besahen wir uns die Mauer der Reformatoren und die Promenade des Bastions. Auch Luther ist hier verewigt.
Im ehemaligen Maschinenhaus einer Pumpstation befinden sich jetzt Restaurants und Ausstellungsräume. Wir flanierten immer der Nase nach, bis wir genug hatten. Frohgelaunt fuhren wir zurück nach Mijoux. Hier erfuhren wir, dass den ganzen Tag schlechtes Wetter herrschte! Gut, dass wir andere Pläne geschmiedet hatten.

Auch für unseren letzten Urlaubstag war durchwachsenes Wetter mit Regen angedroht. Morgens erledigten wir einige Einkäufe und entschlossen uns dann doch zu wandern. Es sollte erneut ein Doppel-Touren-Tag werden. Die erste Tour führte uns auf den Mont Fier. Ein gemächlicher Weg und dann ein schöner Talblick am steil abfallenden Fels.

Die zweite Tour war eher ein Spaziergang rund um den Lac de Lamoura. Sehr idyllisch und geradezu paradiesisch war dieses Kleinod mit Minischwimmbad und Lehrpfad. Mein Liebster ließ es sich nicht nehmen, in die Rolle des Bademeisters zu schlüpfen, indem er auf den verwaisten Rettungsturm kletterte! Oh-là-là!
Nach diesen gemütlichen Runden kehrten wir pünktlich zum Spiel Frankreich gegen Uruguay ins Hotel zurück.
Später begannen wir, Sachen zu packen und langsam Abschied zu nehmen vom Jura und vom Urlaub.

Ehe wir endgültig nach Hause nach Montpellier fuhren, machten wir noch einen Abstecher in eines der schönsten Dörfer Frankreichs, nach Pérouges. Wer mit uns schon mal in La Couvertoirade war, kann sich vorstellen, wie romantisch es war. Wer nicht, der erkennt es vielleicht auf den Fotos! Eine Entdeckung war ein Papierlädchen, die andere Entdeckung waren die Galettes von Pérouges. Wir kauften zum Apéro vom Galette und was Gedrucktes im Papierladen.
Gut gefüllt mit Eindrücken und guter Laune starteten wir um die Mittagszeit zur Autobahn, nicht wissend, dass der Ferienreiseverkehr dermaßen dicht war und wir letztendlich auf die Landstraße auswichen. Statt 5 Stunden waren wir 9 Stunden unterwegs. Doch selbst das konnte unser Hochgefühl nach den drei erlebnisreichen Wochen nicht trüben!

La France est un beau pays, voilà! Frankreich ist ein schönes Land! Wir durften dies wieder einmal erleben!
Wenn euch unser Reisebericht gefallen und neugierig gemacht hat, dann sind wir froh und zufrieden! Wir freuen uns auf eure Kommentare!

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