Etappe 3: Die Insel Groix
Nachdem wir ein vorerst wohl letztes Galette in der Nähe des Hafens von Lorient verspeist hatten, bestiegen wir am Nachmittag des 22. Juni die Personenfähre in Richtung Île de Groix. Woher stammte wohl ihr Name? Im Vorfeld der Reise las ich davon, dass die Frauen der Insel einen Angriff der Engländer abwehrten, indem sie sich mit Seetang behängten und wie wild am Ufer herumsprangen. Dies veranlasste die Angreifer vor den mutmaßlichen Hexen zu flüchten. Île de Groix heißt also soviel wie « Insel der Hexen », abgeleitet vom Bretonischen « Enez Ar C’hoaz’h ».:-)
Die 45minütige Überfahrt war ruhig. Wir saßen an Deck, ließen uns den Wind um die Nase wehen, staunten über die riesigen Betonbunker für U-Boote aus der Zeit des 2. Weltkrieges und ebenso über die Zitadelle Saint-Louis, die weit in den Atlantik ragt. Berühmte Gefangene wurden hinter den Befestigungsmauern des Morbihan versteckt, darunter Louis-Napoléon Bonaparte im Jahr 1836. Im Jahr 1590 errichteten die Spanier die ersten Teile des beeindruckenden Baus. Nach dem Abzug der Männer von Juan del Aguila vollendete Louis XIII die Festung im Jahr 1637. Er gab der Stadt den Namen Port Louis. Als Standort der Compagnie des Indes, der französischen Indien-Kompagnie, erlebte Port Louis eine Zeit des Wohlstands. Nach dem Umzug der Kompagnie nach Lorient wandte sich die Stadt der Fischerei und dem Badetourismus zu.
Am Port Tudy – Hafen Tudy – des zentralen Inselortes Le Bourg erwartete uns unsere Vermieterin Françoise mit ihrem silbergrauen Flitzer. Obwohl nur Einheimische motorisierte Fahrzeuge benutzen dürfen und die Insel mit einer Länge von 8 km, einer Breite von 3 km sowie dünner Besiedlung recht überschaubar erscheint, hat uns im Laufe unseres Aufenthalts der rege Autoverkehr ziemlich erstaunt. Nach unserer Ankunft waren wir froh darüber, dass wir die Rucksäcke in Françoises Kofferraum verstauen konnten und sie uns zur Unterkunft fuhr. Unterwegs machte sie uns auf die wichtigsten Gebäude wie Bäckerei, Postamt, Apotheke, verschiedene Restaurants und Cafés aufmerksam. Die Ferienwohnung befand sich im Haus unserer Gastgeberin mit eigenem Eingang und Terrasse. Verblüfft standen wir vor dem Küchenwandschrank, in dem allerlei hübsches Geschirr, Küchengeräte und diverse Utensilien untergebracht waren. In dem gemütlich eingerichteten Appartment verbrachten wir eine erholsame Zeit.
Für das Abendessen hatte ich einen Tisch im « La Marine » reserviert. Zuvor spazierten wir zum Hafen Lay und bewunderten nicht zum letzten Mal die überall üppig blühenden Hortensien in vielerlei Farben.
Tag 1
Ralf ging als erstes einkaufen, da wir in den Rucksäcken keine Vorräte mitnehmen konnten. Anschließend frühstückten wir und bereiteten den ersten Inselausflug vor. Wir hatten vor, alle vier Küstenseiten zu erkunden und begannen mit einer Nord-Süd-Wanderung. Durch Le Bourg ging es auf einem schmalen Pfad zur felsigen Küste. Ein Fasan querte den Weg, später auch noch eine Fasanenmutter mit mehreren Küken. Ein Vögelchen saß plötzlich vor uns im Gras. Beinahe hätte ich es getreten! Ob mein Rettungsversuch vor einem möglichen Schlangenangriff erfolgreich war, werde ich nie erfahren. Am Port Nicolas legten wir auf den Felsen eine längere Pause ein. Ich zeichnete, Ralf beobachtete die Möwen und das steigende Wasser im Hafen, bevor wir die Wanderung bis zu einer weiteren schönen Bucht fortsetzten. Dort musste ich ins Wasser eintauchen! Wenigstens mit den Füßen!
Kurz bevor wir die gegenüberliegende Küste erreichten, entdeckten wir einen See mit Entenparade, an dessen Ufer hoch gewachsene Bäume standen. Auf einer hochgelegenen Grasnarbe mit weitem Blick machten wir schließlich eine Picknickpause. Möwen kreisten über uns. Wollten sie etwas von unserem Sandwich stehlen oder waren es Motivationsflüge für ihre graufedrigen Jungen, die unentschlossen herumhüpften?!
Zurück liefen wir am Hafen Lay entlang. Dort fiel zur gleichen Zeit eine Schulklasse auf Fahrrädern ein. Im Handumdrehen zogen sich die Kinder und ihre Begleiter aus, um johlend und gut gelaunt von der Kaimauer ins Wasser zu springen. Ein wunderbares Bild, von dem wir uns nicht losreißen konnten. Profitez!
Am Ferienhaus lasen und schrieben wir. Abends wurde gekocht und über die ersten Erlebnisse gesprochen.
Tag 2
Auch am zweiten Tag schien die Sonne. Böen ließen die Temperaturen nicht über 20°C steigen, was aber warm genug für unser Vorhaben war. Der Strand Les Grands Sables mit feinkörnigem Karibiksand an der Ostküste der Insel war eines der Tageszwischenziele. Dort verweilten wir längere Zeit und badeten im erfrischenden Atlantik. Mehrere Schlauchboote brachten mit Badesachen und Chipstüten beladene Urlauber heran, die sogleich Sonnenschirmburgen errichteten. Ich legte eine Zeichenpause ein und trennte mich nur schweren Herzens von dem romantich-wilden Ort. Doch die Tagesplanung versprach weitere Höhepunkte, u.a. den Leuchtturm an der Pointe des Chats – Katzenküstenspitze, verschiedene Dolmen, ein Obelisk.
Von der Ostküste liefen wir weiter nach Locmaria. Unterwegs picknicken wir auf einer Felsenbank und wurden wieder von Möwen begleitet. Im Fischerort Locmaria lud eine Bar namens « Betrunkener Matrose » zu einer Eisschmauserei ein. Die Riesenkugeln ließen wir uns mit Blick aufs Meer munden. Ralf suchte dann noch vergeblich nach Spuren eines Wikingergrabes, das sich hier befinden sollte. Der Rückweg zum Feriendomizil führte uns an einem See, historischen Waschplätzen sowie einem Kletterpark vorbei. Nach der sand- und schweißabspülenden Dusche machten wir es uns mit Lesen, Fotos bearbeiten und einem Apéro auf der Terrasse gemütlich.
Tag 3
Wir gingen wieder direkt vom Haus bei strahlendem Sonnenschein los. Gewitter waren für den Abend angekündigt, die auch eintraten. Wiederholt bewunderten wir die kerzengeraden Malven und die üppigen Hortensien, die vor den typischen Häusern mit den bunten Fensterläden blühten. Aber auch ein riesiger Menhir und zwei Dolmen begeisterten uns auf unserer Inselquerung. Wir gelangten auf schattigen, weichen Graswegen zum bereits weithein sichtbaren weißen Stein an der Steilküste. Welche Bedeutung er wohl hat? Ehemaliges Seezeichen? Religiöser Hintergrund?
Weiter ging es auf und ab an der zerklüfteten Felsküste zum Leuchtturm an der Pointe Pen-Men. Ab da wurde es immer einsamer und heißer. Ein ehemaliger Militärstützpunkt mit Bunkern ließ erahnen, dass die Insel in den Weltkriegen wichtig gewesen zu sein schien. Im Schatten eines Apfelbaumes nahmen wir unser Picknick ein. Die Hitze wurde inzwischen teilweise unerträglich. Plötzlich entdeckten wir an einem Holzbalken das unscheinbare Wörtchen TAHITI. Tatsächlich hatten wir von diesem versteckten Traumstrand gelesen. Einige Kraxelmeter lag er zum Baden einladend unter uns. Einige Badefreunde waren gerade dabei, den Strand zu verlassen. Sollten wir hinabsteigen? Ich witterte eine Möglichkeit zur Erfrischung und einem Jungbrunnenbad. Gesagt. Getan. Bei langsam steigender Flut kühlten wir unsere erhitzten Körper im herrlich frischen Wasser und bewältigten die letzten 2,5 km mit Leichtigkeit. Dies war ein erfolgreicher, sportlicher Wandertag entlang der Westküste der Insel Groix.
Tag 4
Während die erste Hitzewelle des Sommers das Festland beutelte, erwachten wir bei Nebel und feinem Meeresniesel. Nach dem Frühstück begaben wir uns auf die Entdeckung des letzten Inselabschnittes an der wilden Südküste. Viele belaubte Heckentunnelwege schützten uns vor der später strahlenden Sonne. Der Höhepunkt unserer Wanderung sollte das sog. Trou de l’Enfer – Teufelsloch sein. Bald legten wir eine Kirschnaschpause ein und bewunderten danach die bizarren felsigen, teilweise stark erodierten Küstenlinien. Wild peitschten die Wellen gegen das Gestein. Der Wind hatte die Felsen beinahe kahl rasiert. Er fegte in heftigen Böen über die Heidelandschaft. Fast wären wir am Teufelsloch vorbei gegangen, da wir so fasziniert von der übrigen Felsenlandschaft waren. Vorsichtig näherten wir uns dem zerklüfteten Rand. Zur Stärkung beim ausgiebigen Picknick suchten wir uns einen geschützten Platz mit Blick auf die steigende Flut und die wilden Wellenspiele. Ein unbeschreibliches Schauspiel wurde uns dargeboten und wir nahmen nur schweren Herzens Abschied von dem mystischen Ort.
Durch buntes Blumenland wanderten wir zurück und nahmen eine belebende Dusche, um dann noch einmal in den Küstenort Le Bourg zu spazieren. Dort erstanden wir einen typischen Pflaumenkuchen in Friederikes Bisquiterie, von der Ralf im Buch « Les Femmes de l’Ile du Groix » – « Die Frauen der Insel Groix » gelesen hatte. Danach hieß es, die Abreise vorzubereiten. Die Insel hatten wir durch die Möglichkeit, sie zu Fuß zu erkunden, sehr in unsere Herzen geschlossen, so dass der Abschied am nächsten Morgen nicht leicht fiel. Aber vor uns lagen weitere Urlaubstage, was uns ein wenig tröstete.