Erste Station: Tübingen
Zwei Wochen Herbsturlaub lagen vor uns und wir hatten eine Rundreise durch Deutschland geplant. Unsere Fahrt führte uns zunächst nach Tübingen, wo wir gegen 20 Uhr ankamen. Da unser Auto diesmal nicht ganz so voll beladen war, nutzten wir die Gelegenheit und nahmen drei Kästen mit leeren Bierflaschen mit. Vom Pfand kauften wir uns in Tübingen zwei Flaschen Bier und eine Flasche Weißwein. 😮
Am Sonntagmorgen trafen wir uns mit Philipp und wir spazierten in die Altstadt, um ein ausgiebiges Frühstück, zu dem er uns eingeladen hatte, in gemütlicher Atmosphäre zu uns zu nehmen. Danach liefen wir zum Schloss Hohentübingen, wo wir als erstes eine kleine Ausstellung zur Entdeckung des Nukleins, dem Träger der Erbinformation, besuchten. Danach verbrachten wir viel Zeit im Museum Alte Kulturen. Besondere Ausstellunsgstücke waren die Eiszeitfiguren aus Mammutelfenbein, die mit ihrem Alter von rund 40000 Jahren zu den weltweit ältesten Kunstwerken zählen. Auch die Sammlung mesopotamischer Keilschriften war sehr sehenswert. Ein weiterer Höhepunkt war die Opferkammer Seschemnefers III. aus Gizeh mit dem doppelten Mumiensarg. Zum Ende der Sammlung wandelten wir zwischen den Abgüssen berühmter Statuen der antiken Kunstgeschichte, bei der wir dem archaischen Lächeln begegneten. 🙂
Nach all den Eindrücken erfrischten wir uns auf den Vorhof des Schlosses und genossen den Blick über die Dächer der Altstadt. Als nächster Punkt stand ein Besuch im Programmkino Arsenal, das zum Ende des Jahres geschlossen werden soll, auf dem Programm. Dort sahen wir den Film « Fallende Blätter » vom finnischen Kultregisseur Aki Kaurismäki, der in dieser Tragikomödie von zwei einsamen Menschen, die zufällig im nächtlichen Helsinki aufeinander treffen, erzählt. Schließlich stärkten wir uns im Restaurant « Herzog Ulrich », bevor wir uns von Philipp verabschiedeten und zu unserem Gästezimmer am Nordring fuhren.
Zweite Station: Leipzig
Die nächste Etappe führte uns nach Leipzig, der Wahlheimat von Birgits Freundin Liane. In Zentrumsnähe hatten wir eine geräumige und komfortable Unterkunft per AirBnB gemietet. Am Tag unserer Ankunft fand in Leipzig das alljährliche Lichtfest statt, das an die friedliche Revolution erinnert, die Dank der Massendemonstrationen im Oktober 1989 so richtig an Fahrt aufnahm. Mit einer Kerze in der Hand wanderten wir von der ehemaligen Stasizentrale zu den drei Stationen des Gedenkens. Besonders berührten uns die 12 Trabis vorm Gewandhaus, die mit Videoinstallationen an die Flucht in die Prager Botschaft und die am 30. September 1989 genehmigte Ausreise einnerten. Gänsehaut.
Am nächsten Morgen kam Liane zum Frühstück zu uns. Danach spazierten wir zu dritt durch das Leipziger Stadtzentrum mit seinen zahlreichen Passagen. Dabei kamen wir an der Lerchen-Bäckerei vorbei, passierten das Museum der Bildenden Künste mit dem Beethoven-Denkmal von Max Klinger im Vestibül und bestaunten das riesige Freiheits-Wimmel-Wandbild, das wohl bald verschwunden sein wird. Fürs Mittagessen hatte sich Liane eine besondere Überraschung ausgedacht: Business-Lunch in der Dachetage des Uni-Hochhauses. Vor dort bot sich ein wunderbarer Überblick über die südliche und östliche Vorstadt von Leipzig.
Gut gestärkt chauffierte uns Liane am Nachmittag durch die Südvorstadt bis raus nach Markkleeberg, dann durch die westlichen Bezirke Schleußig, Altlindenau und Leutzsch und schließlich weiter nördlich nach Möckern und Gohlis. Wir waren beeindruckt von den unzähligen toll sanierten Wohnhäusern aus der Gründerzeit. Bei einem Stop in Plagwitz erkundeten wir das weitläufige Areal der Leipziger Baumwollspinnerei, in der sich zahlreiche Ateliers und Galerien befinden. Abends fielen wir KO ins Bett.
Ein weiterer Tag voller Erkundungen lag vor uns. Am Ende sollten es 10 km werden, die wir per pedes durch das Waldstraßenviertel, das Musikviertel, den Johannapark und das Bachviertel liefen. In einem vietnamesischen Restaurant nahe unserer Unterkunft stärkten wir uns, um am späteren Nachmittag eine Bootsrundfahrt durch Klein-Venedig zu unternehmen. Wir erfuhren manch Interessantes aus der Geschichte Leipzigs und fuhren sogar unter dem Riverboat hindurch. Der Traum, die Leipziger Gewässer auf dem Wasserweg mit Hamburg zu verbinden, wurde allerdings nie verwirklicht.
Vom Stadthafen, der bis 2026 neu gestaltet wird, spazierten wir an den Schrebergärten vorbei, die auf eine Idee von Dr. Moritz Schreber (1808-1861), einem Orthopäden und Hochschullehrer an der Universität Leipzig, zurückgehen. Das dort beheimatete Deutsche Kleingärtnermuseum hatte allerdings seine Pforten bereits geschlossen. Der Schuldirektor Ernst Innozenz Hauschild (1808-1866), ein Zeitgenosse von Dr. Moritz Schreber, griff 1864 den seinerzeit ungewöhnlichen Wunsch des 1861 verstorbenen Arztes nach kindgerechten Spiel- und Turnplätzen auf und baute mit über 250 Männern und Frauen aus dem Bürgertum den sogenannten « Schreberplatz » auf, der zunächst nur eine Spielwiese war, auf der Kinder von Fabrikarbeitern unter Betreuung von Pädagogen spielen und turnen konnten. Um weitere Möglichkeiten der Beschäftigung für Kinder zu schaffen, legte der Lehrer Heinrich Karl Gesell an diesem Platz Gärten an, die sich schnell zu Orten für die Eltern und ganzer Familien entwickelten, die der Erholung an frischer Luft sowie der Nahrungsergänzung durch Anbau von Kartoffeln, Gemüse und Obst dienten. So begann der Siegeszug der sogenannten Schrebergärten in ganz Deutschland.
Unser letzter Tag in Leipzig war verregnet. Mit Regenschirmen bewaffnet zogen wir in die Innenstadt und erledigten einige Einkäufe im Galeria-Kaufhaus. Danach besuchten wir das Zeitgeschichtliche Forum. Dreieinhalb Stunden verbrachten wir in der interessanten Ausstellung zur jüngeren Geschichte Leipzigs, angefangen mit der Besetzung durch die Amerikaner zum Kriegsende 1945. Anhand vieler Exponate, Fotos und Videos wird die Zeit der DDR, die Wende und der Neuanfang dargestellt. Danach naschten wir ein Reformationsbrötchen und kauften einige Leipziger Lerchen. Am Abend trafen wir uns noch einmal mit Liane und kehrten im Restaurant Pilot ein. Interessante Tage lagen hinter uns und wir reisten mit dem guten Gefühl ab, eines Tages vielleicht in Leipzig eine neue Heimat zu finden.
Dritte Station: Berlin und Wittenberg
Wittenberg: Ralf brachte mich auf dem Weg nach Berlin zu seinem Vater in mein Elternhaus nach Piesteritz. Nach Gartenrundgang und ersten Berichten aßen wir zu Mittag. Am nächsten Tag, samstags, machte ich einen ausgiebigen Spaziergang durch die Piesteritzer Werkssiedlung, während meine Eltern ihre Mittagsruhe hielten. Im Restaurant Lutherbirke wurden wir am Sonntag nett bedient. Nach einer kleinen Rundfahrt über die Dörfer kehrten wir zu Kaffee und Kuchen im Wikana-Café ein. Dieses war trotz oder gerade wegen des eisigen Windes gut besucht! Neben den Eindrücken aus Leipzig, von denen ich erzählte, hatte ich ein Scrabblespiel im Gepäck, welches wir zusammen ausprobierten. Das war spannend und unterhaltsam.
Berlin: Nachdem ich Birgit in Pieseritz abgesetzt hatte, fuhr ich gen Berlin und steuerte zunächst die Berlinische Galerie an, in der ich mir die Edvard-Munch-Ausstellung ansah. Das war sehr interessant und sehenswert! Hungrig geworden, genehmigte ich mir zwei (!) Stück Torte zum Milchkaffee, um danach auch noch durch die ständige Ausstellung zu spazieren. Pünktlich zum Abendessen kam ich bei meinem Vater an und es wurde noch viel erzählt.
Am Samstagvormittag fuhren wir als erstes zum Grab meiner Mutter. Von dort ging’s quer durch Berlin nach Friedrichshagen, wo ich eine Einkehr im Gasthaus Zur Glocke vorgesehen hatte. Da das Etablissement jedoch ausgebucht war, kehrten wir stattdessen im Mauna Kea ein und ließen uns die Flammküchle munden. Auch am Sonntag wurde wieder geschlemmert! Diesmal fuhren wir zusammen mit Peter, meinem Bruder und seiner Frau Christina nach Wildau und kehrten in der Villa am See ein. Das war ein lohnender Ausflug! Auch gefielen uns die schön sanierten Häuser der Schwartzkopff-Siedlung. Nach einem kleinen Verdauungsspaziergang am Ufer der Dahme fuhren wir über Erkner zurück nach Berlin und riefen Erinnerungen aus der Kinderzeit wach, wo wir in der Wald- und Seenlandschaft südlich von Berlin unsere Freizeit verbrachten. Tags darauf hieß es Abschied nehmen und ich fuhr nach Nudersdorf, wo ich Birgit und die zwei Enkelmädchen Nele und Mona in meine Arme schloss.
Vierte Station: Hainich
Nachdem wir Nele und Mona aus Nudersdorf abgeholt hatten, fuhren wir ins Gebiet des Hainich, einem alten Buchenwald unweit von Eisenach. Ich weiß nicht mehr, seit wann, aber da wollte ich schon immer mal hin. Und da der Harz wegen des Borkenkäferbefalls als Urlaubsziel ausfiel, besann ich mich dieses langgehegten Wunsches. Am frühen Abend erreichten wir die geräumige und gemütliche Ferienwohnung in Hötzelsroda. Auch der Lebensmitteleinkauf ward rasch erledigt und es blieb noch Zeit für einen Abendspaziergang zum Mittelshofer Teich. Nele und Mona beschlossen, zusammen im großen Bett in einem der Kinderzimmer zu nächtigen. Ob die Träume der ersten Nacht wohl in Erfüllung gehen werden?
Am ersten Enkelurlaubstag fuhren wir zum weitbekannten Baumwipfelpfad bei Thiemsburg. Bevor wir in die Höhe stiegen, unternahmen wir eine Waldpromenade. An verschiedenen Stationen wurden wir aufgefordert, die Natur genauer wahrzunehmen. Beim anschließenden Besuch in der Wurzelhöhle erfuhren wir manch Interessantes vom Kreislauf der Natur und aus der Mikro(ben)welt im Erdreich. Nachdem wir uns mit heißen Würstchen gestärkt hatten, wurde ausgiebig auf dem Abenteuerspielplatz « Im Reich des Fagati » getobt. Zum Abschluss des Ausflugs ging’s dann hinauf zu den Baumwipfeln, von wo sich ein herrlicher Rundblick über den Hainich bot. Und Möglichkeiten zum Klettern boten sich auch nochmal. 🙂
Tag Zwei im Hainich führte uns zum Wildkatzenschleichpfad bei Hütscheroda. Bevor wir an der Führung teilnehmen konnten, verbrachten wir etwas Zeit beim nahegelegenen Kletterpfad. Selbst ich musste dort am großen Wettstreit teilnehmen und gelangte mit der langsamsten Wettkampfzeit ins Ziel. 😉 Bei der anschließenden Führung erfuhren wir etwas über das Leben und Vorkommen der Wildkatzen und Luchse in Deutschland. Wir lernten, dass der BUND ein Projekt betreibt, um die Wildkatzenpopulationen Dank grüner Korridore aus Büschen und Bäumen miteinander zu verbinden, verbunden mit einem Monitoring des Bestands. Im Besuchszentrum sahen wir uns noch zwei Filme zum Thema an, bevor wir zu einem Waldspaziergang aufbrachen. Mona musste noch etwas motiviert werden, aber als wir erneut am Kletterpfad ankamen, waren alle Anstrengungen vergessen. Hungrig kehrten wir heim und labten uns an selbst gebackenen Eierkuchen. Hhhmmmmm. 🙂
Am nächsten Tag ging es zum Feensteig und Wichtelwald bei Weberstedt. Ein schöner Spaziergang durch den Herbstwald führte von Station zu Station des Feensteigs und wir entdeckten auch weitere Stempelstellen des Touringen-Stempelstellennetzes. Unterwegs trafen wir auf Thomas, den Reimer, und auf den Liebsten Roland. Dann kam das Labyrinth. Plötzlich waren die Enkel fort. Oje, ojeminé! Aber die Schlingel hatten uns nur einen Streich gespielt. 🙂 Am Wunschbaum machten wir Halt und dachten uns Wünsche aus. Bald danach gab’s ein rustikales Picknick und wir versuchten uns im Knabbern von Bucheckern. Sie waren richtig lecker und nussig! Nun folgte der zweite Teil des Ausflugs, der uns zum Wichtelwald führte. Wir probierten uns beim Balancieren im Balancelabyrinth, besuchten die Waldschule, übten uns im Flechten und brauten Zaubertrünke in der Kräuterküche. Vom Aussichtsturm überblickten wir ein verwildertes Gelände, das bis 1995 als Schießplatz der Armee diente. Schön, dass die Natur sich hier ihren Platz zurückerobert!
Der vierte und letzte Tag war verregnet, so dass die von Birgit vorbereiteten Basteleien zum Einsatz kamen, während ich mich nochmal zum Pizzaregal im Supermarkt nebenan aufmachte. Bei meiner Rückkehr wurde ich von zwei hübschen Waldtieren, einem Fuchs und einem Waschbären aus Filz, begrüßt. Am Nachmittag fuhren wir nach Eisenach ins Kino und sahen Checker Tobi und die Reise zu den fliegenden Flüssen. Zu Monas großem Unglück gab’s nur Limonade, aber kein Popcorn. Sie wollte definitiv Popcorn und verkündete, wenn die abendlichen Chips nicht lecker sind, dann rastet sie aus. Ein Glück, dass die Chips lecker waren. 🙂
Am nächsten Tag hieß es Abschied nehmen vom Hainich und den Enkelmädchen. Wir lernten noch die Baustelle für ihr neues Heim in Listerfehrda kennen, plauderten mit Henning und Claudia. Zu heißem Kaffee verputzten wir ihre leckeren Muffins. Auch bei Heidrun und Heinz schauten wir noch vorbei und trafen kurz auf Christians Familie. Zum späten Nachmittag kamen wir bei Thomas in Kropstädt an und spazierten mit ihm und Kerstin zu deren Haus. Kulinarisch wurden wir mit Rouladen, Klößen, Rot- und Rosenkohl verwöhnt. Nach allerlei Plauderei fielen wir müde ins Bett und schliefen in den neuen Tag, dem Tag unserer Abreise.
Fünfte Station: Freiburg i. Br.
Die Rückfahrt nach Montpellier hatten wir diesmal in zwei Etappen aufgeteilt. So konnten wir nach einem gemütlichen Frühstück in aller Ruhe aufbrechen, um zunächst bis nach Freiburg im Breisgau zu fahren. Zentrumsnah bezogen wir ein Hotel und verabredeten uns mit Harald, einem Freund seit seiner Zeit in Montpellier. Wir spazierten ein Stück den Schlossberg hinauf zum Kastaniengarten. Von dort bot sich ein schöner Blick über die Altstadt im Licht der untergehenden Sonne. Danach suchten wir uns ein Restaurant fürs Abendessen, das uns lecker-crosse Flammküchle bescherte. Es wurde viel erzählt über das Leben im Süden Deutschlands und Frankreichs… Tags darauf füllten wir im Supermarkt unsere Vorräte an Meerrettich und sauren Gurken auf, bevor wir entspannt gen Wahlheimat reisten.