Silvester im Luberon

Sonntag, der 29. Dezember 2024.
Zum Jahreswechsel fuhren wir nach Céreste-en-Luberon, wo wir uns ein charmantes, gemütliches und geräumiges Feriendomizil gemietet hatten. Bereits die Anfahrt bot einiges! Ich hatte für unseren Urlaub einige der schönsten Dörfer Frankreichs ausfindig gemacht, denen wir einen Besuch abstatten wollten. Nach entspannter Fahrt über Avignon steuerten wir als erstes Venasque an. Als wir uns dem Ort näherten, ahnten wir, dass wir das Dorf bereits ein paar Jahre zuvor besucht hatten. 😮 Doch das störte uns nicht und wir schlenderten neugierig durch die Gassen und genossen den Ausblick, der sich von diesem Luberon-typisch auf einem Fels erbauten Dorf bot. In der Kirche bewunderten wir die provenzalische Weihnachtskrippe und hinter der massiven Befestigung am Ende des Dorfes verputzten wir unser Picknick mit Blick zum Mont Ventoux. Birgit zückte ihren Skizzenblock, schüchtern beobachtet von einem neugierigen Pariser Mädchen, mit dem sie alsbald ins Gespräch kam.

Auf der Weiterfahrt nach Céreste zeigte ein Wegweiser gen Roussillon, einem weiteren plus beau village de France. Waren wir dort auch schon mal? Wir waren uns nicht sicher und fuhren die paar Kilometer zum Dorf. Und nein, es war eine Neuentdeckung! Bekannt ist Roussillon für seine ockerhaltige rote Erde, die als Rohstoff zur Herstellung von Farben verwendet wird. Unser Spaziergang führte uns vorbei am Auto des Landarztes hinauf zum Glockenturm und zum selbsternannten Erfinder der Reibegewürze. 🙂 Wir blieben skeptisch und konnten uns keinen Einsatz seiner Kreationen in unserer Küche vorstellen. Wir folgten den Gassen, schlenderten durchs Tal der Feen und kamen durch die Straße der glücklichen Pforte. Offensichtlich leben in diesem Ort fröhliche Menschen, die allerlei Spaß haben am Erfinden ungewöhnlicher Beschilderungen. Nachdem wir uns in einer Crêperie gestärkt hatten, machten wir uns langsam auf den Rückweg zum Auto. In der Abendsonne leuchteten die pastellfarbenen Fassaden besonders schön…
Die verbliebene Reisestrecke ward schnell gefahren und wir wurden von der Vermieterin herzlich begrüßt und durch das tolle und freundlicherweise vorgeheizte Ferienhaus geführt. Wir spürten, dass wir uns hier die nächsten Tage wohl fühlen würden.

Montag, der 30. Dezember 2024.
Unser erster Ausflug führte uns unter einem gigantischem Felsvorsprung hindurch zur Festungsruine Fort de Buox, die aber leider aufgrund von Bauarbeiten geschlossen war. Unterwegs lagen etliche antike Grabstätten (keltisch?) am Wegesrand, die wir neugierig erkundeten. Wie wir später erfuhren, existierte an der Stelle des Forts bereits in prähistorischer Zeit eine Befestigung. Später entstanden ein keltoligurisches Oppidum und ein römisches Castrum, von denen aus der einzige gangbare Pass über den Luberon kontrolliert wurde. Die mittelalterliche Burg entstand im 13. Jahrhundert und galt für lange Zeit als uneinnehmbar.

Die zweite Station des Tages lag am Rande eines Zedernwaldes, den wir durchstreifen wollten. Dieser wurde ab 1861 mithilfe von Samen, die im algerischen Atlasgebirge gesammelt wurden, durch den Inspektor der Forstverwaltung François Tichadou angelegt. Anfangs führte uns ein bequemer Single Trail zum Rand des Gipfelplateaus, von wo sich ein schöner Fernblick nach Süden bot. Die Fortsetzung unserer Tour entpuppte sich jedoch als recht anstrengende Kraxelei. Da mir (Ralf) mein Knie etwas zusetzte und wir auch schon ganz schön geschafft waren, entschlossen wir uns, die Tour etwas abzukürzen. So kehrten wir zurück aufs Plateau und genossen die bequemen Wege durch den alten Zedernwald. Unsere Rückfahrt zur Ferienwohnung führte durch den pittoresken Ort Saignon – vielleicht beim nächsten Mal?

Silvesterdienstag.
Der Silvestertag sollte im Zeichen schöner, historischer Dörfer der Provence stehen. Eine kleine Wanderung führte uns auf einem Rundweg von Vaugines nach Cucuron und zurück. Gleich im ersten Ort Vaugines gab es eine schöne Kirche zu bewundern. Entlang bereifter Streuobstwiesen schlängelte sich der Weg zum wenige Kilometer entfernten Dorf Cucuron. Dieses zeichnet sich durch einen hübschen, von Platanen gesäumten Löschwasserteich aus, um den herum gerade Markt gehalten wurde. Wir folgten der Stadtmauer hügelauf und streiften kreuz und quer durchs Dorf mit seiner Kirche, dem Glockenturm und dem Donjon Saint-Michel, an dem wir in der Sonne unser Picknick einnahmen. An Olivenhainen entlang führte uns der Weg zurück zum Ausgangspunkt unserer kleinen Wanderung.

Auch dieser Tag hatte zwei Stationen: Weiter ging es nach Lourmarin, einem weiteren plus beau village de France. Dieses stand noch ganz im Zeichen des Weihnachtsfestes. Wieder durchstreiften wir den Ort auf der Suche nach schönen Fotomotiven. Allerdings konnte der Charme nicht ganz mit den zuvor besuchten Dörfern mithalten – oder waren wir einfach schon zu verwöhnt? Bald hieß es aufzubrechen, um den Silvesterabend bei Tartiflette, Gesellschaftsspielen und deutschem Sekt zu genießen.

Neujahrsmittwoch.
Unser Neujahrsausflug sollte uns zu einer imposanten Schlucht führen. Doch zuvor statteten wir Saint-Martin-de-Castillon einen kurzen Besuch ab. Wir hatten dieses an einem Berghang gelegene Dorf an den Tagen zuvor beim Vorbeifahren entdeckt und waren neugierig geworden. Nach der Silvesternacht bot dieses Dorf einen recht verschlafenen Eindruck. 😉

Der Höhepunkt des Tages sollte die Wanderung um die Schlucht von Oppedette werden. Wir starteten an einer Brücke am Südende der Schlucht. Entgegen dem Uhrzeigersinn folgten wir dem oberen Rand der Schlucht, deren Tiefe und Länge wir immer mal wieder bewundern konnten. Nach ca. drei Kilometern erreichten wir das Dörfchen Oppedette mit seinen 44 Einwohnern (Stand 1. Januar 2022). 😮 Danach wurde es knifflig. Sollten wir weitausholend das Tal durchwandern oder direkt zum oberen Ende der Schlucht absteigen? Wir entschieden uns für letzteres, wobei Ralf etwas flunkern und verheimlichen musste, dass wir auf einem sog. Strichelweg unterwegs seien. Oh je, allerdings verlief die gesamte Tour auf einem Komoot-Strichelweg! Als Birgit in der Talsohle andere Wanderer erblickte, frohte das Herz wieder auf. 🙂 So folgten wir der Schlucht nun auf der gegenüberliegenden Seite zurück zum Ausgangspunkt der Tour. Auf einem felsigen Plateau nahmem wir im letzten Sonnenschein des Tages gutgelaunt und stolz unser Wanderpicknick ein. Was für ein schöner Start ins neue Jahr!

Donnerstag, der 2. Januar 2025.
Für die Rückfahrt nach Montpellier stand ein viertes und letztes plus beau village de France auf dem Programm: Ménerbes. Auch dieses Dorf liegt ganz typisch fürs Luberon langgestreckt auf einem Bergrücken und ist weithin sichtbar. Erst dachten wir, wir wären dort schon mal vor Jahren mit Philipp zum Abendessen gewesen. Doch von dem vermeintlichen Restaurant fehlte jede Spur. Also muss es wohl woanders gewesen sein?! Wir genossen den gemütlichen Rundgang mit seinen schönen Ausblicken, erfreuten uns an den Bildern einer kleinen Ausstellung und ließen uns auch vom furchteinflößenden Löwen vor der Zitadelle nicht schrecken.

Die allerletzte Station unseres Silvesterurlaubs sollte nochmal einen kleinen Höhepunkt bieten. Vom Parkplatz unterhalb des Dörfchens Oppède-le-Vieux (Das alte Oppède) liefen wir auf bequemen Wegen hinauf zum Ortseingang. Unterwegs hielten wir Ausschau nach den Gärten der heiligen Cécile (Jardins de Sainte-Cécile), die sich als Obst- und Olivenhaine entpuppten. Als wir vor dem Glockenturm standen, war die Frage: rechts herum oder links herum. Birgit schlug vor, den Weg nach links einzuschlagen, der uns hinauf zur Kirche Notre-Dame Dalidon führte. Nochmals bot sich ein schöner Blick übers Luberon bis hin zum Mont Ventoux. Auf dem Rückweg lernten wir noch etwas über die Geschichte des Ortes. Als die deutsche Wehrmacht im Juni 1940 Nordfrankreich besetzt hatte, flüchtete eine Gruppe von Künstlern und Kunsthandwerkern in das fast verlassene Dorf, um ein Experiment zu versuchen: die Rückkehr zu den Wurzeln der französischen Kultur und zum Traum von einem friedlichen Miteinander. Sie gründeten die Groupe d’Oppède und beschlossen ein Manifest, das sich an Grundwerten der Verfassung (liberté, égalité, fraternité) orientierte. Übrigens war auch Consuelo, die Ehefrau von Antoine de Saint-Exupéry, Mitglied der Gruppe. Dieser machte sie zu der durch eine Rose symbolisierten Zentralfigur seines bekanntesten Werkes, des philosophischen und poetischen Märchens Der kleine Prinz. Ach, was für eine schöne und hoffnungsvolle Geschichte zum Abschluss unserer Reise!

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